Nebenwirkungen vermeiden – Ein Gentest macht es möglich

Fast 10 Prozent aller „dringlichen“ Krankenhauseinweisungen sind Folge unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Entweder die Medikamente werden nicht vertragen, die Dosis ist zu hoch oder es bestehen Interaktionen mit anderen Medikamenten.

Ein einfacher Gentest erlaubt nun eine „personalisiert“ Arzneimittelverschreibung. Durch eine genetische Analyse des Speichels kann ein individuelles Profil erstellt werden, welches vorhersagt welche Medikamente nicht vertragen werden, ob die Gefahr einer Überdosierung besteht und welche Arzneimittelkombinationen den Vorzug zu geben ist. Erfasst werden über 700 Wirkstoffe unter anderem gegen hohen Blutdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes. Ebenso Schmerzmittel, Psychopharmaka und Antibiotika.


Univ. Prof. Dr. Thomas Binder

Nehmen Sie die richtigen Medikamente?

„Bekomme ich wirklich die richtigen Medikamente? Mir kommt vor ich vertrage diese einfach nicht. Kann es sein, dass die vielen Medikamente welche ich nehme nicht „zusammenpassen?“ Vielleicht ist die Dosis der Substanz zu hoch? Diese berechtigten Fragen bekomme ich immer öfter zu hören.

Kein Zweifel, Menschen unterscheiden sich nicht nur vom Aussehen , ihres Charakters, in ihren Vorlieben und Krankheiten, sondern auch bezüglich ihres Stoffwechsels. Es ist somit nicht verwunderlich, dass ein und daselbe Medikament bei machen Patienten gut wirkt, während es bei anderen zu unerwünschten Nebenwirkungen führt.

Patienten Zweifeln oft ob das Medikament welches Sie nehmen  Nebenwirkungen verursacht
Medikamenten Unverträglichkeit und Nebenwirkungen kommen häufig vor. Die Wahl und Dosierung sind oft schwierig. Jeder reagiert nämlich anders auf ein Medikament

Das Beispiel Clopidogrel

Es ist sogar durchaus möglich, dass ein Medikament gar nicht wirkt: Ein klassisches Beispiel ist Clopidogrel (Plavix®). Clopidogrel ist eine blutgerinnungshemmende Substanz welche sehr häufig bei Patienten mit Gefäßerkrankungen (Atherosklerose) und somit bei Herzinfarkt (z.B nach Stentimplantationen) eingesetzt wird. Damit Clopidogrel aber wirken kann muss es von unserem Körper erst in seine „aktive Form“ umgewandelt werden. Dazu is ein spezielles Enzym (CYP450) erforderlich. Ist dieses Enzym blockiert oder liegt ein genetischer Defekt vor (Polymorphismus) kann Clopidogrel nicht wirken. Dies ist bei bis zu 35 Prozent aller Patienten der Fall. Dies bedeutet somit das bei ca. 1/3 aller Patienten Clopidogrel geringer oder gar nicht wirkt.

Clopidogrel wird sehr häufig nach Stent Implantationen verschrieben um die Bildung eines Blutgerinnsels im Bereich des Stents zu verhindern. Studien zeige aber das Clopidogrel bei bis zu 30 Prozent aller Patienten nicht wirkt.

Gestörter Abbau von Medikamenten – Überdosierung

Bei manchen Patienten kommt es aber auch zu einem verstärkten Effekt von Medikamenten. Zum Beispiel wenn Substanzen schlechter abgebaut werden. Als Folge kommt es trotz normaler Dosierung zu einer Überdosierung und somit zu Nebenwirkungen.

Besonders gefährdet sind Patienten welche mehrere Medikamente nehmen. Hier ist es durchaus möglich, dass sich die Wirkung der Medikamente gegenseitig verstärken. Nebenwirkungen sind deshalb besonders häufig, wenn mehrere Medikamente eingenommen werden. Zum Beispiel kann die Einnahmen von Schmerzmittel die Wirkung von Blutdrucksenkern verstärken und zu Beschwerden wie Schwindel führen. 

Nebenwirkungen bei älteren Patienten

Mit der Anzahl an Medikamenten steigt somit das Risiko für Neben- und Wechselwirkungen. Mit dem Alter steigt auch die Anzahl der verschriebenen Medikamente. So nehmen mehr als 20 Prozent der über 65-Jährigen täglich fünf oder mehr Arzneimittel ein. Da ältere Menschen zusätzlich noch häufiger Erkrankungen haben welche ebenfalls die Aufnahme und Ausscheidung von Medikamenten beeinflussen (zum Beispiel Nierenerkrankungen) sind diese besonders Anfällig für Nebenwirkungen.

Nebenwirkungen kommen häufig vor wenn Patienten viele Medikamente einnehmen
Gerade Patienten welche viele Medikamente einnehmen haben häufig Nebenwirkungen. Wie die Medikamente verstoffwechselt werden spielt hier ein wichtig Rolle

Kein Wunder also, dass Nebenwirkungen welche zum Teil auch einen Spitalsaufenthalt erfordern zunehmen. Man schätzt das circa 5-10 Prozent aller Notaufnahmen in Deutschland, Europa und Nordamerika Folge einer unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind.

Personalisierte Behandlung

Die Medizin beschäftigt sich schon länger mit diesem Thema und sucht nach biologischen Markern welche es uns erlauben vorauszusagen welche Medikamente in welcher Kombination in welcher Dosierung bei individuellen Patienten am geeigneten sind. Man spricht hier von „personalisierte Medizin“ da die Behandlung individuell an die Genetik und Stoffwechsel angepasst wird. Die personalisierte Verschreibung von Medikamenten würde sicherstellen, dass Patienten auch nur jene Medikamente in der richtigen Dosierung nehmen welche auch tatsächlich helfen. Zusätzlich kann auch sichergestellt werden, dass es zu keinen Arzneimittelinteraktionen kommt. Seit kurzen Steht Patienten nun eine pharmakogenetische Methode zu Verfügung welche tatsächliche eine personalisierte Behandlung erlaubt.

Pharmakogenetik – Gentest

Bei der pharmakogenetischen Analyse werden jene Gene untersucht welche einen Einfluss auf den Stoffwechsel von Medikamenten haben. Dies erlaubt die Bestimmung des individuellen Genotyps. Die Festlegung des genetischen Musters sagt voraus wie das individuelle Arzneimittel verstoffwechselt werden. Für die Analyse reicht eine Blut- oder Speichelprobe. 

Pharmakogeneitische Analyse um Nebenwirkungen von Medikamente zu vermeiden
Pharmakogenetische Tests geben Auskunft darüber wie einzelne Medikamente bei individuellen Personen „verstoffwechselt“ werden. Dadurch kann die Medikamentenverschreibung optimiert werden und die Nebenwirkungsrate reduziert werden.

Bei der Analyse werden rund 700 verschriebenen Medikamente untersucht. Für jede Substanz kann festgelegt werden ob sie richtig dosiert ist ob die verschriebenen Medikamente sich in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen. Es läßt sich auch feststellen bei welchen Substanzen es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann. Auf der Basis dieser Analyse können dann alternative Medikamentenkombinationen gefunden werden.

Für wen macht eine Pharmakogenetische Untersuchung sinn?

Besonders zu empfehlen ist ein Gentest, bei Patienten welche häufig über Nebenwirkung klagen. Unabhängig davon ob die Medikamente regelmäßig oder nur gelegentlich (z.B. Schmerzmittel) eingenommen werden. Auch Patienten welche mehrere Medikamente (wie es bei Bluthochdruck oft vorkommt) einnehmen profitieren von einer pharmakogenetischen Analyse. Wichtige Erkenntnisse erhält man auch bei Patienten welche auf ein Medikament nicht ansprechen. 

Genetische Analyse (Pharmakogenetik) um Nebenwirkung zu vermeiden
Eine pharmakogenetische Analyse macht vor allem bei Patienten sinn, welche häufig unter Nebenwirkungen klagen. Ebenso bei Patienten welche viele Medikamente einnehmen.

Der große Vorteil der pharmakogenetischen Analyse besteht darin, dass die Testung nur einmal im Leben erforderlich ist. Die Gene ändern sich im laufe des Lebens ja nicht mehr. Medikamente welche in Zukunft auf den Markt kommen können auf Basis der bestehenden Analyse bewertet werden.

Weitere Informationen und wie sie zu einer pharmakogenetischen Analyse kommen finden sie hier unter ÄrzteImZentrum

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